„Low Migration“ im UV-Etikettendruck – Teil 2

Im ersten Artikel dieser Artikelserie haben wir aufgezeigt, was Migration bedeutet, wie der Etikettendruck davon betroffen ist und welche Migrationsrisiken bestehen. Nun soll darauf eingegangen werden, wie der Etikettendrucker der Migrationsproblematik begegnen kann und welche Kriterien beim migrationsarmen Etikettendruck beachtet werden müssen. Der Fokus in diesem Artikel liegt in der organisatorischen Umsetzung des migrationsarmen Etikettendrucks.

Die migrationsarme Etikettenproduktion

Wie im ersten Artikel beschrieben, lässt sich der Migrationswert eines Etiketts, respektive das Migrationsverhalten einer Verpackung, nur schwer und nicht unmittelbar bei der Herstellung bestimmen. Eine einfache Qualitätskontrolle des Etiketts, wie sie zum Beispiel für Druckregister oder Farbe stattfindet, kann nicht angewendet werden. Vielmehr ist hier ein prozessualer Ansatz gefragt: Das Etikett muss so produziert werden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass schädliche Mengen von Stoffen aus dem Etikett in das Lebensmittel migrieren können. Eine solche Risikominimierung kann nur stattfinden, wenn man den gesamten Herstellprozess eines Etiketts von Auftragseingang bis Auftragsausgang durchleuchtet und potentielle Migrationsrisiken eliminiert. Ein Patentrezept für die Umstellung auf migrationsarmen Druck und seine Umsetzung in die Praxis gibt es nicht. Grundsätzlich lohnt es sich jedoch, bei der Analyse zur Risikominimierung dem Wertschöpfungsprozess zu folgen:

1. Auftragseingang

Anhand der Marktsegmente und der Applikationen, die eine Etikettendruckerei bearbeitet, lässt sich der Handlungsbedarf und die Relevanz der Migrationsthematik bestimmen. Erst, wenn diese Analyse gemacht ist, lassen sich entsprechende Umsetzungsstrategien festlegen. Unabhängig von der Umsetzungsstrategie ist es heute aber sinnvoll, bereits in der Angebotsphase beurteilen zu können, ob der entsprechende Auftrag ein Migrationsrisiko birgt und ob dieses auch genügend spezifiziert ist. Standardisierte Checklisten haben sich dabei gut bewährt.

Bild 1: Mögliche Umsetzungsstrategie auf Basis Druckvolumen und Migrationsrisiko

2. Druckvorstufe

Steht das Migrationsrisiko fest, gilt es, eine geeignete Produktionsmethode festzulegen. Vereinfacht gesehen, gibt es dabei zwei Handlungsalternativen: Einerseits kann das Migrationsrisiko durch den technischen Aufbau minimiert werden, andererseits können Farben und Hilfsstoffe zum Einsatz kommen, die, richtig angewendet, entsprechend tiefe Migrationswerte zulassen. Der Abklatsch-Migration kann zum Beispiel durch den Einsatz eines entsprechenden Schutzlacks oder einer Laminatfolie entgegengewirkt werden. Besteht die Möglichkeit des Einbaus von funktionalen Barrieren nicht, so muss man das Migrationsrisiko durch die Wahl des richtigen Farbsystems verringern. Ohne eine genaue Beschreibung des Endprodukts ist es jedoch kaum möglich, eine wirksame Produktionsmethode festzulegen.

3. Beschaffung

Auch die Beschaffung der zur Produktion notwendigen Substrate, Farben und Hilfsstoffe sollte eingehend analysiert werden. In der Regel bringen die für den migrationsarmen Druck spezifizierten Stoffe auch spezifische Anforderungen an die Verarbeitung und das Handling mit sich. Hier muss also vorgängig geprüft werden, ob die notwendige Verarbeitung und der geforderte Umgang mit diesen Stoffen in der Druckerei möglich sind.

Zudem sollte auch die Evaluation von neuen Produktionsmitteln nach Möglichkeit unter dem Blickwinkel der Anforderungen des migrationsarmen Drucks geschehen. So ist es z. B. von Vorteil, Maschinen einzusetzen, die offen und gut zugänglich sind.

 

Bild 2: Gut zugängliche Flexodruckwerke der Gallus ECS 340, Sleevesysteme und Kammerrakel für einfache und schnelle Auftragswechsel

4. Produktionsplanung und Qualitätssicherung

Nur in den wenigsten Fällen wird für eine Etikettendruckerei eine Komplettumstellung der Produktion auf den migrationsarmen Druck in Frage kommen. Also muss in der Produktionsplanung sichergestellt werden, dass „Standard-“ und migrationsarme Aufträge sauber getrennt voneinander verarbeitet werden. Eine gängige Fehlannahme ist dabei, dass migrationsarme Farben und Standardfarben auftragsabhängig auf der gleichen Maschine verarbeitet werden können. Eine solche Vermischung führt nämlich zwangsweise zu Kontaminationen (durch Rasterwalzen, Umlenkrollen, etc.) und macht jegliche Bestrebung in Richtung migrationsarmen Drucks zunichte. Es muss also zwingend darauf geachtet werden, dass dedizierte Produktionsmittel geschaffen werden. Vor allem in einer kleineren Etikettendruckerei kann dies eine erhebliche organisatorische und planerische Herausforderung darstellen.

Die grundsätzlichen Aufgaben der Qualitätssicherung werden durch den migrationsarmen Druck nicht wesentlich verändert. Die Einführung der GMP (Good Manufacturing Practice) und der daraus resultierenden Prozess- und Logistikanpassungen ist jedoch nicht zu unterschätzen. Insbesondere das Thema der durchgängigen und vollständigen Rückverfolgbarkeit sollte einer genauen Analyse unterzogen werden. Es lohnt sich unter Umständen, den Beizug einer entsprechenden Fachstelle in Erwägung zu ziehen.

5. Druck und Veredelung, Reinigung, Wartung und Unterhalt

Hier entscheidet es sich, welche Stoffe wann und wie miteinander in Berührung kommen. Die Umsetzung eines migrationsarmen Auftrags gemäss den Vorgaben von Druckvorstufe und Produktionsplanung stellt dabei oft die kleinere Aufgabe dar. Die deutlich grössere Herausforderung besteht in der Umstellung und Strukturierung der Hilfsprozesse wie Reinigung, Unterhalt oder Wartung, welche in den meisten Druckereien den Charakter von zentralen Diensten annehmen und nur schwierig zu entflechten sind. So werden zum Beispiel Rasterwalzen üblicherweise maschinenübergreifend eingesetzt und zentral in einem Bad gereinigt. Auch sind die stoffliche Zusammensetzung von Schmierstoffen, Reinigungsmitteln, Druckplatten, etc. und das daraus resultierende Migrationsrisiko kaum bekannt. Nebst dem eigentlichen Druck der Etiketten sind es also vor allem die Hilfsprozesse, die einer eingehenden Analyse unterzogen werden müssen.

6. Kommissionierung, Lager und Versand

Mit der Einführung der GMP werden auch hygienische und logistische Voraussetzungen an die Druckereien gestellt. Eine Folge davon sind Trennungen in der Lagerhaltung sowie verstärkte Hygieneanforderungen an das Personal (Haarnetze, rauchfreie Produktion, Handhygiene, etc.). Kopfzerbrechen machen dabei oftmals die Hygieneanforderungen bei der An- und Ablieferung von Material und Druckaufträgen. Andockschleusen für Nutzfahrzeuge oder ähnliche bauliche Massnahmen sollten deshalb bereits zu einem frühen Zeitpunkt in ein Umsetzungskonzept für die migrationsarme Herstellung von Etiketten miteinbezogen werden.

Umfassender Ansatz

Ein nachhaltiges und schlüssiges Produktionskonzept für die Herstellung von migrationsarmen Etiketten kann nur mit einem umfassenden Ansatz etabliert werden. Dabei müssen alle produktionsrelevanten Grössen – Menschen, Mittel und Methoden – berücksichtig werden. Wie einleitend beschrieben, kann während der Etikettenproduktion kein faktischer Nachweis der Migrationsfreiheit erbracht werden. Es bleibt nur der Weg über die Identifizierung und Elimination von potentiellen Migrationsrisiken und das Etablieren von Prozessen, welche diese Risikominimierung nachhaltig garantieren. Konsequent verfolgt, bietet die Umstellung auf migrationsarmen Druck dem Etikettendrucker jedoch auch eine Chance, sich von seinen Mitbewerbern zu differenzieren und sich als kompetenter Anbieter von Lebensmitteletiketten am Markt zu positionieren.

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